Die GOAL für Sie an der Tagung Digital Public Affairs in Berlin

Die zweite „Digital Public Affairs“-Tagung in Berlin hatte eine besondere Brisanz. Obwohl eigentlich als Rückblick auf die digitalen Kampagnen zu der Bundestagswahl 2017 gedacht, wurde immer wieder klar: Es kann auch eine Vorschau auf die Bundestagswahl 2018 sein.

Wer wissen will, was in digitalen Fragen State of the Art ist, darf hier nicht fehlen. Und deshalb waren wir für Sie vor Ort.

#BTW17
Die Digitalchefs aller Bundestagsparteien (mit Ausnahme der AfD) sprachen über ihre Erfahrungen, Erfolge und Flops in diesem Jahr. Das Fazit war klar: der digitale Wahlkampf ist erwachsen geworden. Mit Budgetanteilen von bis zu 50% von der Gesamtkampagne und hervorragender personeller Ausstattung ist die Zukunft der Kampagnenführung nun auch in Deutschland angekommen.

Neun Jahre nach der berühmten ersten Obama-Kampagne wacht auch die alte Welt zunehmend auf. Facebook, Twitter und inzwischen auch Instagram gehören dabei ganz natürlich zu den Werkzeugen der Kampagnen. Aber, und das geht oft vergessen, digitale Kampagnen sind dialogisch. Hier werden nicht nur Botschaften ausgesendet. Was zurückkommt sind Daten, die zeigen, wer, wo, wie auf die Botschaften reagiert. Spezialisten sind so in der Lage, mit Testkampagnen auch inhaltliche oder personelle Schwierigkeiten in einzelnen Wahlkreisen zu identifizieren, bevor sie zu Problemen werden.

Einer jedoch fehlte bei dem Austausch: Die mit Abstand erfolgreichste Kampagne fuhr wohl die neueste Partei im Bundestag. Und trotzdem diktierte das deutsche Politikverständnis einmal mehr den Ablauf: Die AfD durfte nicht auf dem Podium sitzen, dafür nutze man die Hälfte der Zeit, um über sie zu sprechen. Deutsche Verhältnisse eben.

Spannende Einblicke aus Kanada
Thomas Pitfield, Digitalchef der enorm erfolgreichen Trudeau-Kampagne, brachte seine Erfahrungen aus Kanada mit. Dort wird, beinahe wie in den USA, mit anderen Bandagen gekämpft: Mit einem Digitalbudget von 20 Millionen Kanadischen Dollar liess sich einiges machen: bis zu zwölf promovierte Mathematiker beschäftigten sich mit der Datenanalyse. Zwanzig fest angestellte Spezialisten kümmerten sich dann um die Umsetzung der Erkenntnisse und die Reaktion auf aktuelle Ereignisse im Wahlkampf. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Justin Trudeau gewann die Wahl in einem Erdrutschsieg und ist heute weltweit bekannt.

connect17: Haustürwahlkampf als Spiel
Von Haustüre zu Haustüre ziehen, um Wähler zu gewinnen, ist schon seit jeher ein essenzielles Element im Wahlkampf. Auch in Zeiten der digitalen Wende ist diese Face-to-Face-Kommunikation bei Weitem nicht überflüssig. Teil der CDU-Kampagne war die App connect17. In dieser konnten sich Unterstützer anmelden, um dann in den Haustürwahlkampf zu ziehen. Die App gab Tipps, wo man am besten hingehen und über was man sprechen sollte. Aber sie erlaubt auch das Zurückgeben von Informationen. Ob die Tür geöffnet wurde, wer dahinter stand (Alter und Geschlecht) und den Verlauf des Gesprächs konnte man zurück in die Zentrale melden. So war es der Kampagnenleitung möglich, die eigenen Fortschritte zu beobachten und ein aktuelles Bild der Lage in einzelnen Bezirken zu bekommen.

Der Clou an der App ist aber, dass die Nutzer für jede Türe, an die sie klopfen, für jeden Kilometer, den sie laufen, Punkte sammeln. Diese Methode, Experten sprechen von gamification, wirkt ungemein motivierend. Immer wieder steckt das Programm neue Ziele und gibt Aufgaben – und wer sie erfüllt, bekommt Belohnungen. Der Wahlkampf wird so zum Spiel. Die besten Spieler mit den meisten Punkten durften sich sogar über einen Anruf der Bundeskanzlerin freuen.

Und das neue Konzept zeitigt schon Erfolge: 10’000 Unterstützer meldeten sich an und sammelten Punkte.

Auch die Schweiz wird digital
Dass die Digitalisierung auch den Schweizer Politbetrieb erwischt hat, wurde beim Vortrag eines Economiesuisse-Vertreters deutlich. Dass dem Land in den nächsten Jahren eine Grundsatzabstimmung über die Europafrage bevorsteht, ist heute fast allen klar. Der grösste Wirtschaftsverband bereitet sich schon heute mit der Kampagne stark+vernetzt darauf vor.

Bei Veranstaltungen, über Wettbewerbe, mit Aufrufen und Werbung sammelt man Kontakte, besonders in der Form von Mailadressen. So weit, so bekannt. Das Neue: Der Zweck ist nicht, die Kontakte dann mit Werbung zu bespielen. Da die Daten dem Verband freiwillig und zweckgebunden überlassen wurden, weiss man, dass man bei diesen Personen auf besondere Unterstützung zählen kann. Deshalb werden sie in den nächsten Monaten und Jahren immer weiterentwickelt. Ziel ist, dass sich eine starke Beziehung zwischen den einzelnen Bürgern und dem Verband aufbaut. So gewinnt Economiesuisse nicht nur Wähler für die nächste Abstimmung, sondern tatsächliche Unterstützer, auf die man sich verlassen kann. Sie werden eigenständig werben, Beiträge teilen und schreiben und sich für die Abstimmung einsetzen.

Ein solches Vorgehen braucht selbstverständlich permanent einen gewissen Grundaufwand und ein ständiges Budget, aber das Ergebnis kann sich schon heute sehen lassen: Über 6000 Personen haben sich schon heute auf europapolitik.ch eingetragen. Mit Namen und oft sogar mit Bild schreiben sie schon jetzt Testimonials. So macht man Betroffene zu Beteiligten.

Immer digitaler, immer mehr
Obwohl die Digitalisierung noch in den Kinderschuhen steckt, wagt sich die deutsche Politik ins sogenannte „Neuland“ vor. Die zweite „Digital Public Affairs“-Konferenz hat gezeigt, dass es ohne Onlinekommunikation heute nicht mehr geht. Aber dieser Weg ist nicht immer einfach. Viel ausprobieren, scheitern und erneut versuchen ist nötig, damit jede Organisation versteht, wie sie profitieren kann.

Und klar ist auch: On- und Offline verschmelzen immer mehr. Die Kampagnen dürfen nicht getrennt verstanden werden, sondern müssen sich ergänzen. Nur mit der richtigen Verzahnung gewinnen beide Seiten der Kampagne. Und wenn das passiert, wird richtig gewonnen. Ob Obama, Trump oder nur Christian Lindner: Wer es versteht, auf der digitalen Klaviatur zu spielen, kann die Welt verändern.

Und es muss jedem Beteiligten klar sein, dass man digitale Öffentlichkeitsarbeit nicht ignorieren kann. Das Feld wächst permanent. Und auch wenn die Schweizer Politiklandschaft noch nicht ganz zu den Pionieren aufgeschlossen hat, ist allen Beteiligten klar, dass die nächsten Schritte kommen müssen. Und zwar je früher, desto besser. Denn bei der Konferenz waren sich alle Experten bei einer Sache einig: Digitaler Wahlkampf geht nicht nur vier Wochen, sondern vier Jahre.

PS.

Auch das machte die 2. Digital Conference deutlich: Ohne klare Botschaften, ohne ein klares Versprechen an die Wählerinnen und Wähler, das die aktuellen und relevanten Bedürfnisse der Bevölkerung aufnimmt, nützt selbst die beste Digital-Kampagne nichts. So war der Online-Wahlkampf der CDU (siehe App connect17) vorbildlich, konnte aber nicht verhindern, dass die CDU ihr schlechtestes Wahlergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik einstecken musste. Dass nur rund 10’000 CDU-Helfer bei connect17 mitmachten, obwohl die CDU über 431’000 Mitglieder hat, spricht dafür ebenso Bände…

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